Kesseltaktik, Farbbeutel und Zivilcourage
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Bei meinem Eintreffen bei der Bellaria kam es gerade zu tumultartigen Szenen zwischen PolizistInnen und AktivistInnen und mittendrin stand ein Taxi. Offensichtlich war das Taxi an der Weiterfahrt gehindert und jetzt versuchten die PolizistInnen die DemonstrantInnen zurückzudrängen. Nachdem eine junge Frau von einem Polizisten zu Boden gestossen worden war, stellten sich ein paar Demonstranten schützend vor die Frau und die herandrängenden PolizistInnen.
In diesem Moment sind ein paar Böller explodiert und Farbbeutel sind auf den PolizistInnen gelandet. Zwei Demonstranten wurden festgenommen und zu Boden gerungen. Weitere Truppen der Polizei trafen zur Verstärkung ein, stellten sich mit erhobenen Schlagstöcken und sturmbereit vor die Demonstranten und es hatte den Anschein, als ob die Situation jeden Augenblick ausser Kontrolle geraten würde.
Da bemerkte ich Nikolaus Lackner (KPÖ), der sich mit erhobenen Händen durch die Menge schob und sich vor die Polizeireihen stellte. Wiederholt verlangte er, den Einsatzleiter bzw. den Kommandanten dieser Einheit zu sprechen. Nach mehrmaligen Versuchen von den Einsatzkräften der ersten Reihe Unterstützung zu erhalten, wurde sein Anliegen doch weitergeleitet und der Gruppenkommandant erschien.
“Ich bin österreichischer Demokrat und Antifaschist. Ich demonstriere friedlich, bin gegen Gewalt und ersuche sie, ihre Leute zurückzuziehen!” Mit diesen Worten hat Nikolaus Lackner sein Anliegen vorgetragen und sich um Deeskalation bemüht. Der Einsatzleiter hörte aufmerksam zu, brachte ein paar taktische Einwände vor, aber nach einer kurzen Nachdenkpause meinte er: “Ja, ich ziehe meine Einheit bis zum Ring zurück, aber sprechen sie auch mit den Demonstranten.
An dieser Stelle möchte ich meinen Respekt für diese beiden Männer aussprechen. In einer sehr angespannten Situation haben sie Zivilcourage, Besonnenheit und Menschlichkeit gezeigt.
In der Folge hatte sich die Polizeitruppe tatsächlich bis zum Ring zurückgezogen, die Lage beruhigte sich und viele der DemonstrantInnen gingen in die verschiedensten Richtungen vom Schauplatz weg. Ich nutzte die Zeit, um in der Umgebung Nachschau zu halten und konnte am Schmerlingplatz zwei Wasserwerfer der Polizei entdecken, welche in Fahrtrichtung Bellariastraße in Stellung gebracht waren.
Beim Heldenplatz wurde das letzte Tor von innen verschlossen, am Ring standen und gingen kleine Personengruppen, in der Museumsstrasse rasten fünf Mannschaftstransporter der Polizei mit Blaulicht und Folgetonhorn in Richtung Landesgericht an mir vorbei. Nocheinmal ging ich zur Bellaria zurück und konnte sehen, dass sich ungefähr 80 bis 100 DemonstrantInnen in einem Polizeikessel befanden. Die Polizei war in eindeutiger Überzahl und außerhalb des Kessels waren nur mehr wenige Menschen zu sehen.
Es war nicht ersichtlich, wie lange dieser Polizeikessel noch bestehen würde. Die Eingekesselten hatten sich mit ihrer Lage abgefunden, die Polizei gab keine Auskunft, wie lange diese Aktion noch dauern würde und es war zu sehen, dass die meisten Beteiligten bereits müde waren.
Nach rund sechs Stunden Wanderung durch die Wiener Innenstadt, den zahlreichen und unterschiedlichsten Eindrücken und mit ungefähr 500 neuen Fotos in der Kamera, hatte auch ich genug und mich auf den Heimweg gemacht.
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